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Gedanken zum 11. Sonntag i. Jahresk. 13./14. Juni 2020

 

1. Einleitung

Wir haben den Bogen überspannt; bei Weitem. Die ganze Erde kämpft gegen ein Virus. Gegen eine Spezies, die, um zu überleben, sich rasend schnell vermehrt und überallhin ausbreitet. Hält uns Menschen das Virus da nicht einen Spiegel vor? Wir, die wir alles auf Wachstum ausrichten, weil nur so unser kurzfristiges Überleben gesichert ist…? Klingt nach einem Virus; einem Virus, das gerade dabei ist, nicht unsere Lungen, dafür aber die Lunge unserer Mutter Erde anzugreifen.

Können wir in Anbetracht dieser Umstände auf Gnade hoffen?

Albert Einstein sagte einmal: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Und Thomas von Aquin, Kirchenlehrer der 13. Jahrhunderts, meinte: „Die Gnade setzt die Natur voraus und vollendet sie.“ Gemeint ist damit, dass wir erst einmal die Gesetze der Natur und unserer Seele kennenlernen und beachten müssen, bevor Gnade wirken kann. Sind wir bereit dazu? Oder genügt das nicht unseren Ansprüchen?

Christus sagt im heutigen Evangelium: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ Und weiter: „… er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen…“; er sagt: „…geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.“ Wofür bin ich bereit zu arbeiten? Habe ich bei all dem Stress überhaupt die Zeit für so eine Arbeit? Und welche Arbeiter meint Christus? Uns?

2. Kyrie

1. Herr, durch die Corona-Krise haben viele von uns erkennen können, was wirklich zählt, wofür Du Arbeiterinnen und Arbeiter suchst. Herr hilf uns zu erkennen, dass jede und jeder von uns, aus der Sendung heraus Deine Ernte einbringen kann.

Herr, erbarme Dich unser!

2. Jesus, auch unsere Kirche ist für viele zu einer Option geworden, die man, wie vieles andere, konsumieren kann, wenn man gerade Lust darauf hat. Christus, öffne uns die Augen für den Überfluss Deiner Ernte.

Christus, erbarme Dich unser!

 

3. Herr, schenke uns das rechte Maß zu erkennen, wann Arbeit für Dich zu Aktivismus wird und wo sich zurückzunehmen vielleicht die bessere Alternative ist.

Herr, erbarme Dich unser!

 

Lesung: Röm 5,6-11

Denn Christus ist, als wir noch schwach waren, für die zu dieser Zeit noch Gottlosen gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch ihn erst recht vor dem Zorn gerettet werden. Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Gottes Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben.  Mehr noch, ebenso rühmen wir uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben.

 

 

Evangelium: Mt 9,36-10,8

In jener Zeit,als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden. Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen. Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes,Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus,Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn später verraten hat.Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht zu den Heiden, und betretet keine Stadt der Samariter,sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.

 

Predigt zum 11. Sonntag im Jahreskreis (Harald)

Manche unter uns würden denken:So geht das aber nicht, wie sollen wir bitte Dämonen austreiben können???“

Aber warum beginnen wir von hinten? Das ist erst die letzte von fünf wichtigen Aussagen. Jesus sagt als Erstes, als Überschrift von allem, was danach folgt: Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Das ist zunächst eine Zusage. Da geht es um keine Leistung, die wir erbringen müssen.

2. Heilt Kranke – jetzt wird’s schon schwieriger…
3. weckt Tote auf – eine glatte Überforderung
4. macht Aussätzige rein – das können im alttestamentlichen Verständnis eigentlich nur die Priester; genaugenommen können sie nur für rein erklären. Rein machen kann nur Gott!
5. treibt Dämonen aus!

Wir bleiben leider allzu oft bei den schwierigen und bei den uns überfordernden Aussagen des Evangeliums hängen und überhören die Verheißung und die Zusage: Das Reich Gottes ist dir nahe – jetzt schon!

Das ist so ähnlich, wie wenn du sagen würdest: wie kann ich und warum soll ich beten: wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, wenn ich eh schon weiß, dass ich es nicht zusammenbringe?

Ja, aus eigener Kraft kannst du das nicht, aber wenn es einen Vater im Himmel gibt, dessen Reich kommt und schon da ist, dann ändern sich die Voraussetzungen. So ähnlich ist es auch hier: wenn Jesus seine Jüngerinnen und Jünger beruft, sammelt und mit Vollmacht ausstattet, dann wird etwas möglich, was aus eigener Kraft kein Mensch tun kann, oder was sehr ungesund und gefährlich werden kann, wenn ich es doch tue. Es gibt ja durchaus Menschen, die ausziehen, aus eigener Kraft Dämonen zu besiegen, und die möglicherweise dadurch deren Beute werden.

Und wer diese Dämonen sind, was damit gemeint ist, das kann eine große Breite einnehmen, weil die Empfindlichkeit und Anfälligkeit bei uns Menschen sehr unterschiedlich ist; was dem einen arg zusetzt und in eine Depression oder Krise stürzt, kann für den anderen fast ein Klacks sein. Dieser muss sich wiederum vor Stolz und Hochmut hüten, während den ersteren eher Kleinmut bedrückt.

Überleg mal, liebe Georgenbergerin / lieber Georgenberger, wer oder was deine Dämonen sind. Was verführt dich zum Bösen? Was zieht dich runter, in die Verzweiflung, Depression?

Es gibt auch persönliche,
familiäre,
gesellschaftliche „Glaubenssätze“,
die niederdrücken, gefangen halten, verstummen oder krank werden lassen…)

[du kannst mir gerne deine Antwort schreiben… oder wenn ihr mehrere seid, tauscht euch bitte kurz über diese Frage aus…]

 

Es ist also unser Auftrag als getaufte, bevollmächtigte Christinnen und Christen Dämonen auszutreiben, erst recht im Miteinander als Gemeinde, als Kirche.

Es gibt auch im kollektiven Bereich solche Dämonen
wie Strukturen der Sünde,
ein neoliberales, rücksichtsloses Wirtschaften,
Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden der Schöpfung
und vieles mehr

[auch hier wäre ein Nachdenken über unseren gemeinsamen Auftrag als Gemeinde angebracht!]

 

Jetzt aber zurück an den Start. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“. Dieser berühmte Satz Jesu beschreibt die Dauerkrise der Kirche – egal welcher Konfession oder Region dieser Welt.

Denn selbst wenn eine Gemeinde lebendig ist und viele Aktivitäten anbietet, bleiben immer noch genug ihrer Mitglieder in der Reserve, in einer Bequemlichkeit, in einer Konsumhaltung, vielleicht sogar in einem Pochen auf Rechte – weil man immerhin Kirchenbeitrag zahlt –, und sehr oft in einer fehlenden Wahrnehmung der Bedürfnisse und Nöte der anderen. Leider gibt es auch viele Kinder Gottes, die sich gar nichts zutrauen, sich für unfähig halten, die meinen nichts anzubieten zu haben… ob sich nicht der Papa im Himmel kränkt über solche Selbstverurteilungen seiner Kinder?

Aber auch jene, die sich in der Gemeinde engagieren, müssen sich ständig neu auf Jesus ausrichten, weil der Dämon wie gesagt leider nicht schläft; weil wir anfällig werden für Machtspiele und Machtansprüche, für Aufdrehen und Beleidigt-Sein, für Ausnützen anderer und Ausbrennen; weil wir so bedürftig sind nach Lob und Anerkennung und auf der anderen Seite vergessen zu danken; weil wir naiverweise annehmen, in der Gemeinde darf es eh keine Streitereien geben und dann völlig bestürzt sind, wenn es doch einmal etwas gibt. Und dann bricht wieder einer weg – ein Arbeiter im Weinberg. Und dann kommt wieder ein unnötiger Sager von einem Bischof – und wieder bricht eine weg, eine Arbeiterin im Weinberg.

Aber DU bist noch da. Gott sei Dank!

Danke, du Georgenberger – danke, du Georgenbergerin!

Ich sende dich im Namen dieser deiner Gemeinde. Ich bekräftige deine Sendung aus der Taufe. Und diese sagt dir: Geh, und verkünde den Menschen um dich herum, den (ehemaligen) Kollegen in der Firma, den Freunden, den Nachbarn, den Verwandten und auch uns, wenn wir uns wieder sehen: Das Himmelreich ist nahe.          

Und lass es zu, dass Jesus durch dein Wort und dein Schweigen, durch deine Nähe und Distanz, durch deine Kraft und deine Schwäche Kranke heilt, Tote aufweckt, Aussätzige rein macht, Dämonen austreibt! Umsonst hast du empfangen, umsonst sollst du geben.

 

Und jetzt geh – du bist gesendet!

 

Dein Pfarald

 

3. Fürbitten

1. Der Vater einer Freundin hat sich auf dem Jakobsweg in Spanien mit Covid-19 angesteckt, kurz nach seiner Rückholung nach Wien Symptome entwickelt und letztlich den Kampf gegen diese Lungenkrankheit im Kaiser Franz Josef Spital verloren. Ich bitte Dich um Deinen Segen und den Segen unserer Gemeinde für ihn und seine Familie. Wir bitten Dich, erhöre uns!

2. Herr, ich bitte Dich, um Segen für all unsere verborgenen Talente, die wir in der Coronakrise entdecken durften, und all die Erfahrungen und Erkenntnisse im Umgang miteinander, die wir ohne die veränderten Umstände nie gemacht hätten. Mögen sie uns für uns alle ein Segen und dienliche Begleiterinnen in unserem Zusammenleben sein. Wir bitten Dich, erhöre uns!

3. Ich bitte Dich für unsere Mutter Erde, mögen wir erkennen, dass jeder und jede von uns selbst die Veränderungen sein muss, die wir in dieser Welt sehen wollen. Denn Gnade setzt die Natur voraus und vollendet sie. Wir bitten Dich, erhöre uns!

 

4. Impuls / Danksagung / Gebet

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,

dass ich liebe, wo man hasst;

dass ich verzeihe, wo man beleidigt;

dass ich verbinde, wo Streit ist;

dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;

dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;

dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;

dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;

dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

Herr, lass mich trachten,

nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;

nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;

nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer sich hingibt, der empfängt;

wer sich selbst vergisst, der findet;

wer verzeiht, dem wird verziehen;

und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

 

Franz von Assisi